PM: GöttingenZero: 'Der Haushaltsplan 2023/24 widerspricht dem Ratsbeschluss zur Klimaneutralität 2030

Lokale Bürgerinitiative schlägt alternative Maßnahmen zur CO2-Reduktion vor

Geposted von " GöttingenZero " am Monday, January 9, 2023

2021 reichte GöttingenZero, die lokale Untergruppe der Klimaschutzorganisation GermanZero, bei der Stadt Göttingen ein Bürgerbegehren mit 7.686 gültigen Unterschriften ein, das forderte, Klimaneutralität in Göttingen bis 2030 zu erreichen.

Am 17.12.2021 beschloss der Rat der Stadt Göttingen:

„Die Stadt Göttingen strebt das Ziel einer Klimaneutralität bis 2030 an und initiiert alle dafür nötigen Schritte im städtischen Wirkungskreis."

2022 wurde beschlossen, diese Zielsetzung durch einen konkreten Zeitplan zu ergänzen. Statt des vom Rat geforderten Zeitplans wird seit 2022 ein sogenanntes „Klimabudget“ im Haushalt ausgewiesen, das die Ausgaben und Investitionen der Stadt „für Klimaschutz“ auflisten soll. Dabei stellt sich die Frage, was die Stadtverwaltung hier unter „Klimaschutz“ versteht. Im Sinne des Ratsbeschlusses zur Klimaneutralität dürften hier nur solche Maßnahmen und Investitionen aufgenommen werden, die nachweislich zu einer Reduktion der CO2-Emissionen auf dem Stadtgebiet beitragen. Denn „Klimaneutralität 2030“ bedeutet, dass im Jahr 2030 keine weiteren CO2-Emissionen erfolgen, beziehungsweise dass dann noch nicht vermiedene Emissionen durch CO2-Senken ausgeglichen werden.

Die im „Klimaschutzbudget“ des Haushaltsentwurf 2023/24 enthaltenen Angaben weisen jedoch in keiner Form aus, wie groß die erwartete Emissionsreduktion von CO2 durch die vorgesehenen Maßnahmen ist. Bei manchen der aufgelisteten Maßnahmen mag das praktisch auch unmöglich sein, z.B. „Veranstaltungsreihe Klimaplan“, „Mitgliedsbeitrag Klimabündnis“, „Bereitstellung eines gesunden Frühstücks“, oder „Grunderneuerung von Bushaltestellen“. Folglich ist sehr fraglich ist, ob solche (durchaus ja sinnvollen) Ausgaben in die Aufstellung gehören. Bei anderen genannten Maßnahmen wäre dies aber durchaus möglich. Ein Beispiel ist die Angabe zur Sanierung des Schwimmbades im Brauweg, bei der ca. eine Million Euro „für energieeffiziente Technik“ genannt wird. Hier sollte sich die erwartete Reduktion von CO2-Emissionen durch die Sanierungsmaßnahme durchaus angeben lassen. Dasselbe gilt für energetische Sanierungen von Gebäuden.

Wenn man allerdings Neubauten in eine solche Aufstellung aufnimmt, so müsste natürlich eine ehrliche CO2-Bilanzierung erfolgen. Neben den Emissionen durch den Bau selbst werden durch die Vergrößerung der beheizten/beleuchteten Räume (falls es sich nicht um einen Ersatzbau gleicher Größe handelt) zusätzliche Emissionen entstehen, die durch energieeffizienten Bau nur minimiert werden können. „Durch einen Neubau werden also in fast allen Fällen die CO2-Emissionen erhöht, so dass die erhöhten Emissionen an anderer Stelle kompensiert werden müssen“ sagt Dr. Hulpke-Wette, Mitglied der Initiative. Das Problem wird noch verschärft, wenn die Bauleitplanung der Stadt Investoren-Projekte auf Flächen vorsieht, die bislang CO2-Senken waren.

Diese Mängel machen das Konzept des „Klimaschutzbudgets“ sehr fragwürdig. Es entsteht der Eindruck, dass hier alles zusammengetragen wurde, was „irgendwie mit Klima“ zu tun hat, stattdessen sollte die Effizienz der Maßnahmen anhand einer präzisen Angabe ihrer Auswirkung auf die CO2- Emissionen im Vergleich zu den dafür anvisierten Kosten genau gegengerechnet werden.

In seiner aktuellen Gestaltung ist das „Klimaschutzbudget“ der Stadt im besten Fall überflüssig, im schlimmsten irreführend. Die dort einfließenden Kapazitäten der Stadtverwaltung sollten besser in die im Ratsbeschluss vom 18.3.2022 geforderte Anpassung des „Klimaplans Göttingen 2030“ investiert werden. Wenn Rat und Verwaltung den Beschluss zur Klimaneutralität 2030 wirklich ernst nehmen wollen, dann müsste Folgendes geschehen:

  • eine Auflistung und Summierung des augenblicklichen Standes der CO2-Emissionen, die im „städtischen Wirkungsbereich“ sind, also die durch geeignete Maßnahmen der Stadt reduziert werden können.

  • die Aufstellung eines Plans mit jährlichen Zwischenzielen und Maßnahmen, um diese Emissionen bis 2030 auf Netto-Null zu reduzieren, nebst des dafür erforderlichen Finanz- und Personalbedarfs.

  • ein jährliches Monitoring der Zielerreichung und entsprechende Anpassung des Plans.

Was die Emissionen außerhalb des „städtischen Wirkungsbereichs“ angeht, sind Politik und Verwaltungsspitze aufgerufen, sich auf Landes- und Bundesebene für entsprechende Förderprogramme einzusetzen, darüber hinaus aber bürokratische Hemmnisse abzubauen und in einen lösungsorientierten Dialog mit der Stadtgesellschaft (Bürger:innen, Industrie/Handel/Gewerbe, Hochschulen, usw.) einzutreten. Darüber hinaus sollte die Stadt deutlich machen, dass ein weiterer ungezügelter Ausbau von Autobahnen auch mehr Güter- und Privatverkehr in die Kommunen lenkt, deren Klimaziele im Verkehrsbereich dadurch sabotiert werden.

Mit der fehlenden Orientierung auf den zentralen Punkt der CO2-Bilanz ist das im Ratsbeschluss festgelegte Ziel, Göttingen bis 2030 Klimaneutral zu machen, auf diese Weise planerisch und faktisch unerreichbar. „Wir fordern die Politik und Verwaltung auf, mehr als ein Jahr nach dem Ratsbeschluss nun endlich eine nachvollziehbare Planung in die Wege zu leiten, wie dieses Ziel im Rahmen des städtischen Einflussbereichs und darüber hinaus erreicht werden soll“, sagt Isabel Hielscher, Mitglied von GöttingenZero.

Über GöttingenZero

GöttingenZero ist die lokale Untergruppe der Klimaschutzorganisation GermanZero. Mitglieder der Gruppe sind unter anderem Göttinger Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen, Lehrer:innen und Studierende, die sich für nachhaltige Stadtentwicklung und insbesondere Klimaneutralität in Göttingen bis 2030 einsetzen. Dafür startete die Gruppe im Jahr 2021 ein Bürgerbegehren und sammelte dafür 7.686 gültige Unterschriften. Mit dem Ratsentschluss vom Dezember 2021 wurde der Bürgerentscheid abgewendet und stattdessen der „Klimaplan Göttingen 2030“ beschlossen. GöttingenZero arbeitet seitdem in Kommunikation mit der kommunalen Politik an der Realisierung des Vorhabens, Göttingen bis 2030 klimaneutral zu machen. Zu diesem Zweck hat die Gruppe unter anderem einen alternativen Klimastadtplan vorgelegt, der ausgehend vom Treibhausgas-Restbudget konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduktion vorschlägt.