Die Flughöhe des St. Florian

Zwei Leserbriefe an das GT zu „Genossenschafts-Idee sorgt für heftigen Streit“ vom 10. Mai.

Geposted von " Ulrich Schwardmann und Wilfried Arnold, Göttingen " am Thursday, February 9, 2023

Inhalt

Die Flughöhe des St. Florian

Eigentlich ist es ja selbstverständlich, dass ehrenamtlich Tätige der Kommunen nicht beraten und mitentscheiden dürfen, wenn sie davon einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil haben, wie im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz festgelegt. Trotzdem ein wichtiger Hinweis, mit dem sich Frau Bachmann-Dämmer von der CDU da ein beachtliches Eigentor geschossen hat. Hat sie doch als direkte Nachbarin der PV- und Windkraftanlagen einen unmittelbaren, sie würde wohl eher sagen Nachteil.

Der Paragraf 41 Absatz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz richtet sich nicht nur gegen Vorteilsnahme bei kommunalen Entscheidungsträgern, sondern er stellt mit dem Verweis auf Nachteile auch klar, dass das St. Florians- oder „Nicht-in-meinem-Vorgarten“-Prinzip, wie von Frau Bachmann-Dämmer praktiziert, in der kommunalen Selbstverwaltung nichts zu suchen hat.

Frau Ziegler-Mehrtens kann hingegen keinerlei persönliche Vorteilsnahme vorgeworfen werden. Der Aufbau einer Bürgerenergie-Genossenschaft hat laut Satzung Gemeinnützigkeit zum Ziel und ist mit erheblicher unentgeltlicher Arbeit verbunden. Bei den Reizwörtern „investieren“ und „profitieren“ ging es in den inkriminierten Mitteilungen übrigens darum, dass in das eigene Wohngebiet investiert werden soll und der Ortsteil profitiert – wahrlich kein unmittelbares persönliches Interesse. Eine solche Entstellung des Zusammenhangs zeugt eher weniger von gutem politischen Stil.

Herr Feuerstein, auch CDU, spricht im Rat immer mal wieder von unterschiedlicher Flughöhe der Parteien beim Klimaschutz, allerdings ohne genau zu erklären, wie das zu verstehen ist und auf welcher Höhe sich die CDU verortet. Langsam kristallisiert sich hier allerdings ein Bild heraus.

Obwohl sie vorgeben, den Klimaplan 2030 einhalten zu wollen, haben CDU-Politiker und -Politikerinnen die letzten acht Jahre erfolgreich jedes Windrad in Göttingen verhindert. So wird es auch jetzt wieder mit undurchsichtiger Interessenlage versucht. In der Göttinger Verkehrspolitik spricht die CDU bei der Diskussion um höhere Parkgebühren bereits von „Kulturkampf“ und „Verkehrsumerziehung“, wenn die Verwaltung mehr Menschen zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel bewegen möchte (Rat 17. Februar, Tageblatt 19. Februar). Die Junge Union in Göttingen will keine Klimaschützer mehr sehen, sondern nur noch Aktivisten (Tageblatt 10. Mai). Und bundesweit wehrt die CDU sich nun „mit allen Mitteln“ (CDU-Generalsekretär M. Huber) gegen eine dringend notwendige Dekarbonisierung der Heizungsanlagen (Tageblatt 10. Mai).

Neben dem St. Florians-Prinzip betreibt die CDU also seit einiger Zeit klimapolitische Vogel-Strauß-Politik. Der Strauß ist ein Laufvogel, Flughöhe null, soweit bekannt. Zur exakten Flughöhe des Heiligen Florian hingegen kann vermutlich auch die christliche Expertise der CDU keine Aussage machen.

Ulrich Schwardmann, Göttingen

Provinzposse im Ortsrat Weende

Man glaubt es manchmal nicht, was so im Tageblatt berichtet wird. Im Artikel vom 10. Mai kann man lesen, wie eine politische Partei rückwärtsgewandt sich mit Händen und Füßen und herbeigeholten Argumenten dagegen wehrt, aktiv und mit neuen Ideen gegen den Klimawandel vorzugehen.

Was ist passiert? Da wollen von den Bürgern gewählte kommunale Vertreter der Grünen eben diese Bürger einbeziehen in das Engagement gegen den Klimawandel. Es entstand die Idee, zur Finanzierung von Windanlagen eben diese Bürger in Form einer Genossenschaft zu beteiligen. Erst mal noch nur die Idee, nicht etwa schon die sofortige oder gar eine erfolgte Gründung! Doch sicher will die angegriffene Vertreterin der Grünen im Ortsrat ihr Riesenvermögen investieren, um für sich gierig privat gewaltige Profite zu machen!

Wenn auf städtischem Grund Windräder entstehen, dann sollten auch die Bürger der Kommune finanziell davon profitieren, indem sie ihr Geld in dieses Projekt investieren können. Ein bei wackeligen Zinserträgen bei den Banken sinnstiftendes Unterfangen. Wohlgemerkt, in diesem Falle eine breit angelegte offene Genossenschaft für möglichst viele Göttinger Bürger und nicht für irgendwelche externen Finanzinvestoren, die Renditen abschöpfen. Gerade Letzteres hat ja als quasi Fremdbestimmung immer wieder zum Widerstand gegen erneuerbare Energien geführt.

Im Gegenteil, muss man doch immer wieder die Bürger dabei ermutigen, ihren Strom selbst zu produzieren und dabei langfristig sogar von günstigeren Preisen und Überschüssen zu profitieren. Dass die Kombination von Windkraftanlage plus Photovoltaik das energetische Optimum der Flächennutzung in Deppoldshausen wäre, sollte eigentlich jedem einleuchten, der begriffen hat, dass wir ohne ein Maximum an in Deutschland produzierten erneuerbaren Energien schwere wirtschaftliche Probleme bekommen und den Klimawandel nicht aufhalten werden.

Doch was passiert im Ortsrat Weende: Rolle rückwärts der CDU. Mit schrägster pseudojuristischer Argumentation versucht man, die Befürworterin einer „Bürgerenergiegesellschaft“ anzugreifen. Wobei sehr durchsichtig das ganze Manöver scheinbar nur stattfindet, weil man keine Windräder in Deppoldshausen haben will. Sollen doch andere für den Strom sorgen, den wir verbrauchen!

Wie wohltuend dagegen der Bericht im Tageblatt vom 12. Mai über die Gründung einer Bürgerenergiegenossenschaft in Radolfshausen.

Wilfried Arnold, Göttingen