Bürgerbegehren zur Verbesserung der Göttinger Verkehrsinfrastruktur erreicht über 8.500 Unterschriften

Abgabe am 12.02.2024 um 12:30Uhr im Neuen Rathaus

Geposted von " GöttingenZero " am Sunday, October 29, 2023

Göttingen steuert auf ein seltenes Ereignis in einer niedersächsischen Großstadt zu: Am Montag, den 12. Februar 2024 um 12:30 Uhr wird die Klimaschutzgruppe GöttingenZero vor dem Neuen Rathaus die Unterschriften für beide Bürgerbegehren des Radentscheids an Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) übergeben. Presse und Öffentlichkeit sind hierzu herzlich eingeladen. Unterschriften, die später bei den Initiator*innen oder der Stadt eingehen, werden nicht mehr gezählt. Das Ziel: zwei Bürgerentscheide zur kommunalen Verkehrspolitik.

Bereits jetzt hat GöttingenZero über 8500 Unterschriften gesammelt und erwartet, dass trotz eines Anteils doppelter und ungültiger Unterschriften die erforderliche Zahl von 6813 deutlich überschritten wird. Zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren gelingt es damit GöttingenZero, die für die Einleitung eines Bürgerentscheids erforderliche Anzahl von Unterschriften zu sammeln. Der Bürgerentscheid “100 % klimaneutral bis 2030” von 2021 wurde durch einen inhaltsgleichen Ratsbeschluss abgewendet, sodass es nicht zur Durchführung des Bürgerentscheids an der Wahlurne kam. Dies wird beim Radentscheid 2024 anders sein.

Einen Bürgerentscheid, in dem die Bevölkerung - wie in der Schweiz üblich - über ein kommunales Thema selbst entscheiden darf, gab es in Göttingen noch nie - und in einer niedersächsischen Großstadt bislang nur ein einziges Mal: 2019 in Osnabrück. Dort hatte die Bevölkerung mit 76 % für die Bildung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft votiert, in einem Bürgerentscheid, der am Wahltag der Europawahl 2019 durchgeführt wurde.

Göttingen wird damit seiner Bevölkerung die Möglichkeit geben können, nicht nur an einer kommunalpolitischen Sachfrage beteiligt zu werden, sondern auch tatsächlich selbst eine Entscheidung zu treffen, die unmittelbar danach von der Verwaltung umgesetzt werden muss.

„Egal wie die beiden Bürgerentscheide am Ende ausgehen - neben unserem Einsatz für den Klimaschutz tragen wir mit dieser Initiative dazu bei, mit fundierter Sachpolitik die Demokratie dort zu stärken, wo die Auswirkungen direkt erfahrbar sind, in unserer eigenen Stadt. Damit treten wir auch den zunehmenden Tendenzen entgegen, Demokratie und Rechtsstaat verächtlich zu machen. Gerade heute ist es wichtig sichtbar zu machen, welchen Wert unsere Demokratie unmittelbar für die Bürgerinnen und Bürger in ihrem direkten Lebensumfeld hat und welche Möglichkeiten zu spürbaren Verbesserungen unserer kommunalen Infrastruktur wir besitzen."

so Prof. Dr. Fred Wolf, aktiv bei GöttingenZero und Mitglied der Senatskommission für Nachhaltigkeit und Klimaschutz der Universität Göttingen.

Mit großem Respekt und Hochachtung beobachtet das Radentscheid-Team, dass sogar über 90jährige Senior*innen den Radentscheid unterschreiben - Menschen, die längst nicht mehr Fahrrad fahren können, die aber den Wert von demokratischen Rechten und freier Meinungsäußerung in besonderer Weise würdigen können, da sie den Terror des Naziregmines aus eigener Anschauung erlebt haben. Auch der bekannte Umweltaktivist Professor Rolf Bertram unterzeichnete den Radentscheid mit 92 Jahren wenige Tage vor seinem Tod und äußerte sich erfreut darüber, dass das Vorhaben sehr sinnvolle Forderungen enthielt und an der Wahlurne tatsächlich durchgesetzt werden könnte.

Radentscheide gab es bereits in über 30 deutschen Großstädten, wobei die Bürgerbegehren nach der Sammlung der Unterschriften entweder für unzulässig erklärt wurden, oder die Initiatoren freiwillig auf die Durchführung eines Bürgerentscheids verzichteten und Vereinbarungen mit den verantwortlichen Stellen schlossen - mit Maßnahmen, von denen oft weniger als 10 % umgesetzt wurden. Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen entschied sich GöttingenZero bereits im Frühjahr 2023 dafür, einen für die Stadtverwaltung bindenden Bürgerentscheid anzustreben.

„Wir plädieren für eine Trennung von Auto, Fahrrad und zu Fuß gehenden auf den Durchgangsstraßen und möchten damit die absolute und die gefühlte Sicherheit erhöhen - es ist die gefühlte Sicherheit, die die Menschen dazu bewegt, sich für das Auto oder das Fahrrad zu entscheiden. Genau hierin liegt für uns der entscheidende Ansatzpunkt für den Klimaschutz im Sektor Verkehr in unserer Kommune. Die Infrastruktur muss auch für Kinder und ältere Menschen ausgelegt sein. Die Verwaltung interessiert sich in jeder ihrer Stellungnahmen nur für die erfassten Unfallzahlen, was ausblendet, dass besonders Kinder und ältere Menschen als unsicher empfundene Strecken von vornherein meiden. Auch die letzten Entscheidungen zu den Fahrbahnsanierungen zeigen, dass weiterhin wie in den 1970er Jahren nur einseitig der Autoverkehr gefördert wird - nach wie vor wird kein einziger Radweg saniert."

berichtet Jonas Luckhardt von der AG Radentscheid.

„Die Verwaltung setzt dagegen weiterhin einseitig auf den für Auto und Fahrrad gleichermaßen gefährlichen Mischverkehr und erkennt noch nicht, dass die Zeit gekommen ist, die verkehrspolitischen Leitlinien neu zu ziehen.“,

betont Co-Organisatorin der Initiative Isabel Hielscher.

„Wir freuen uns schon auf die lebendige Debatte über die vorgeschlagenen Maßnahmen und arbeiten für eine breite Mehrheit für diese einfache und wirkungsvolle Verbesserung unserer städtischen Verkehrsinfrastruktur."