GöttingenZero kann Radentscheid-Wahlkampf starten

Pressemitteilung nach Auszählung der Stimmen im Bürgerbegehren

Geposted von " GöttingenZero " am Wednesday, January 3, 2024

GöttingenZero ist froh und erleichtert darüber, dass die Zahl der 6813 erforderlichen Unterschriften für beide Bürgerbegehren des Radentscheids deutlich übertroffen wurde. Für das erste Bürgerebegehren wurden 8378 gültige Unterschriften ermittelt, für das zweite ähnlich viele. Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt wird die Bevölkerung an der Wahlurne über ein kommunales Thema selbst entscheiden können.

“Wir sind stolz darauf, dass wir die Zahl der notwendigen Unterschriften um über 20 % übertroffen haben, und das bei widrigsten winterlichen Bedingungen, bei Regen, Schnee und eisiger Kälte, und in einer kürzeren Zeit als wir hätten in Anspruch nehmen können. Noch nie haben sich in Göttingen so viele Menschen für eine Sache schriftlich eingesetzt. Ein ganz wichtiges Ziel haben wir in jedem Fall bereits jetzt erreicht: Einmal dürfen sich alle Göttingerinnen so fühlen wie in der Schweiz und tatsächlich an der Wahlurne entscheiden - viele werden das in ihrem Leben nur einmal erleben. Alleine dafür hat sich die Mühe schon gelohnt - und wir sind überzeugt davon, dass wir beide Bürgerentscheide auch gewinnen werden”, so die Initiatorinnen Jonas Luckhard, Isabel Hielscher und Martin Hulpke-Wette.

Während in über 30 anderen Städten, in denen Radentscheide seit 2018 durchgeführt wurden, die Initiator*innen nach der Feststellung der gültigen Zahl der Unterschriften Verhandlungen mit Rat oder Verwaltungen aufnahmen und mit diesen dann Vereinbarungen zur Verbesserung des Fahrrradverkehrs trafen, verfolgte GöttingenZero von Anfang an das Ziel, die Bevölkerung selbst entscheiden zu lassen. Dies hatte mehrere Gründe.

Zum einen wurde in etlichen Städten hinterher festgestellt, dass die Verwaltungen sich nicht an die Vereinbarungen hielten und die Forderungen nur zu einem geringen Teil und schleppend umsetzten. Es macht einen Unterschied, ob eine Vereinbarung mit einer kleinen Gruppe vom Aktiven getroffen wird oder ob zigtausende Einwohner einer Stadt mehrheitlich einem rechtswirksamen Bürgerentscheid zustimmen.

Zum anderen ist die Entscheidung, in Göttingen mehrere verkehrspolitische Strategien grundsätzlich zu ändern, von so entscheidender Bedeutung, dass sie einer breiten mehrheitlichen Zustimmung bedarf. Die jahrzehntelang verfolgte Strategie des Mischverkehrs aufzugeben und Fahrrad und Auto auf kilometerlangen Durchgangsstraßen konsequent mit mechanischen Leitschwellen zu trennen und zur Schaffung des nötigen Verkehrsraums Einbahnstraßensysteme einzuführen, ist eine sehr weitreichende Veränderung in Richtung mehr Verkehrssicherheit, zu dem weder Verwaltung noch die Parteien in den nächsten Jahren den Mut aufbringen würden. Bereits nach den ersten Konsultationen mit der Stadt war klar, dass die Entscheidung nur per Bürgerentscheid getroffen werden kann.

Ein dritter Grund liegt in der Enttäuschung, die auf das erste Bürgerbegehren 2021 folgte, welches zuerst eine hohe Zahl an Unterschriften (über 7600) erhielt - und dann viele Monate später Ende 2021 vom Rat einfach sang- und klanglos im Worlaut übernommen wurde. Bereits im Frühjahr 2021 hatten Linke und Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung einen gleichlautenden Antrag eingebracht, der von allen anderen Parteien vehement abgelehnt worden war. Erst als die Verwaltung das feststellte, was GöttingenZero und andere schon lange vorher prophezeit hatten - dass nämlich zum Einreichen eines Antrags bei der EU-Mission “100 klimaneutrale Städte 2030” ein solcher Beschluss eine zwingende Voraussetzung war - verabschiedete der Rat in letzter Minute eine entsprechende Vorlage und verhinderte gleichzeitig, dass die Bevölkerung über das Bürgerbegehren abstimmen konnte. Wenn Göttingen von der EU nicht nominiert wurde, dann sicherlich auch deswegen, weil die Willenserklärung der Stadt wenig glaubwürdig erscheinen musste. Der Stadt entging durch die verpasste Chance Zugang zu Millionen Euro Fördermitteln.

Nicht zuletzt kmacht der Sektor Verkehr zwar 25 % der Treibhausgasemissionen aus, wird von der Stadt aber als Klimaschutzaufgabe gänzlich vernachlässigt. Bei Bürgerbeteiligungsverfahren bezogen sich die Hälfte der Vorschläge auf Verbesserungen im Bereich Verkehr - so gut wie alle wurden konsequent ignoriert, Verkehr gar nicht als Teilaufgabe im Klimaschutz begriffen. Viele der Wünsche ignoriert die Stadt schon seit Jahren, weil sie den verkrusteten verkehrspolitischen Strategien widersprechen. Im Radverkehr hat dies dazu geführt, dass Göttingen die einzige Stadt in Deutschland ist, die seit 2014 Radverkehrszählanlagen installiert hat und trotz Einrichtung eines Radschnellwegs mit den Anlagen ein um 10 % gesunkenes Radverkehrsaufkommen registriert - alle anderen Städte haben Zählanlagen installiert, weil sie viel zur Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur getan haben und durch die Zählstellen den Erfolg ihrer Bemühungen hinterher auch messen konnten.

GöttingenZero wird sich jetzt auf den Wahlkampf konzentrieren und die ermutigenden Erfahrungen aus der Unterschriftensammlung mitnehmen. Die Hauptforderung - die Trennung von Fahrrad und Auto auf Durchgangsstraßen - kam in der Bevölkerung sehr gut an, sowohl bei Radfahrenden als auch bei denen, die häufig mit dem Auto unterwegs sind und nicht gerne hinter langsamen Fahrrädern herfahren wollen. Viele hielten die bisherige Strategie des Mischverkehrs für nicht mehr zeitgemäß und sprachen sich dafür aus, eine Kehrtwende einzuleiten.

GöttingenZero